Die Kosten der Pflege: was Familien wirklich belastet
Die Pflege von Menschen ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir Menschen leben immer länger, unsere Lebenserwartung wächst, proportional dazu auch der Bedarf an professioneller Pflege und Pflegekräften. Doch gute Pflege kostet Geld und die Kosten, die mit Pflege verbunden sind, können für viele Familien überwältigend sein. Dabei ist Pflege nicht nur ein Thema für ältere Menschen. Viele Eltern stehen vor der Herausforderung, ihre Kinder zu pflegen, sei es aufgrund von Behinderungen, chronischen Erkrankungen oder besonderen Bedürfnissen. Diese Pflegesituationen bringen nicht nur emotionale, sondern auch erhebliche finanzielle Belastungen mit sich.
Pflegebedürftig, was bedeutet das?
Wenn eine Person im Alltag nicht (mehr) ohne fremde Hilfe zurechtkommt, kann sie oder ihre Sorgeberechtigte* einen Pflegegrad beantragen. Daraufhin wird ein Pflegegutachten erstellt und die Pflegeversicherung entscheidet, ob und wenn ja, welcher Pflegegrad vergeben wird. Die Bestimmung des Pflegegrades spielt also eine zentrale Rolle bei der Unterstützung von Pflegebedürftigen und ihren Familien, da die Vergabe eines Pflegegrades an Leistungen wie u. a. Pflegegeld, Verhinderungspflege und Betreuungs- und Entlastungsleistungen gekoppelt ist. Was die einzelnen Pflegegrade bedeuten, kannst du hier nachlesen.
Arten von Pflege und ihre Kosten
Grundsätzlich lässt sich zwischen ambulanter Pflege, teilstationärer Pflege und stationärer Pflege unterscheiden. Ambulante Pflege, bei der Pflegekräfte zu den Pflegebedürftigen nach Hause kommen oder die Angehörigen selbst die Pflege übernehmen, ist oft die erste Wahl, da sie den Betroffenen ermöglicht, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Allerdings können sich die Kosten schnell summieren, besonders wenn eine intensive Betreuung notwendig ist.
Wer trägt die Pflegekosten?
Die Finanzierung der Pflege ist komplex und oft eine Mischung aus Eigenleistung, Unterstützung durch die Pflegeversicherung und gegebenenfalls Sozialhilfe. Die gesetzliche Pflegeversicherung in Deutschland deckt nur einen Teil der Kosten ab. Je nach Pflegegrad erhalten die Betroffenen Leistungen, die jedoch in vielen Fällen nicht ausreichen, um die tatsächlichen Pflegekosten vollständig zu decken.
Aus dem Leben hinaus pflegen – die eigenen Eltern
Traditionell tragen Kinder in vielen Kulturen die Verantwortung für die Pflege ihrer Eltern. In unserer modernen Gesellschaft hat sich diese Verantwortung verändert, insbesondere mit der zunehmenden Berufstätigkeit beider Elternteile und der geografischen Distanz zwischen Familienmitgliedern. Doch egal wie sich die Beziehung zwischen den Familienmitgliedern gestaltet oder ob und wie die Verantwortung füreinander wahrgenommen wird, die Pflegversicherung übernimmt nur einen Teil der Pflegekosten.
Seit dem 1. Januar 2020 sind Verwandte ersten Grades ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro verpflichtet, die Unterhaltskosten für ein Familienmitglied zu übernehmen, sofern dessen eigenes Vermögen nicht ausreicht. Das Einkommen des Partners wird dabei nicht berücksichtigt. Verdient jemand als Tochter eines pflegebedürftigen Elternteils also mehr als 100.000 € brutto jährlich, muss sie für die Pflegekosten aufkommen.
Ins Leben hinein pflegen – pflegebedürftige Kinder
Die Pflegebedürftigkeit von Kindern unterscheidet sich grundlegend von der Pflegebedürftigkeit älterer Menschen. Während bei älteren Menschen die Pflege oft darauf abzielt, den Lebensabend zu begleiten und den Verlust von Fähigkeiten zu kompensieren, geht es bei der Pflege von Kindern darum, sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen ein möglichst selbstständiges Leben zu ermöglichen. Also eine Pflege ins Leben hinein, nicht aus dem Leben heraus. Dass das gesamte Pflegesystem noch immer auf die Pflege von älteren Menschen ausgelegt ist, zeigt sich u. a. am derzeitigen System zur Bestimmung des Pflegegrades, welches primär den Verlust von Fähigkeiten im Alter bewertet. Kriterien wie Mobilität, Selbstversorgung und die Bewältigung des Alltags beziehen sich auf das, was Erwachsene einmal konnten und nun nicht mehr selbstständig möglich ist. Bei Kindern, die diese Fähigkeiten erst noch entwickeln müssen, greift dieser Ansatz leider nicht ausreichend. Somit wird der tatsächliche Pflegebedarf von Kindern oft unterschätzt und nicht korrekt ermittelt.
Die finanzielle Belastung und ihre Folgen
Häufig sind pflegende Personen gezwungen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ihre Arbeit vorübergehend oder dauerhaft ganz aufzugeben, um sich um ihr Kind oder ihr Elternteil zu kümmern. Dies führt nicht nur zu einem Einkommensverlust, sondern auch zu empfindlichen Einbußen bei der gesetzlichen und privaten Altersvorsorge. Zusätzlich sind viele pflegende Personen mit hohen Ausgaben für Hilfsmittel, Therapien oder besondere Bildungsangebote konfrontiert, die oft nicht vollständig von der Kranken- oder Pflegeversicherung übernommen werden.
Die psychologische Belastung
Neben den finanziellen Aspekten ist die psychologische Belastung für pflegende Eltern enorm. Der ständige Spagat zwischen Pflege, Beruf und Alltagsorganisation führt häufig zu Erschöpfung und Stress. Es fehlt oft an ausreichend Unterstützung, sei es durch das soziale Umfeld oder durch professionelle Hilfsangebote. Es gibt Familien, deren einzige Chance auf einen gemeinsamen, ansatzweise erholsamen Familienurlaub der Kurzaufenthalt in einem Kinderhospiz ist. Wie das aussehen kann, könnt ihr euch hier anschauen.
Lösungsansätze
Es braucht mehr gesellschaftliche Anerkennung und finanzielle Unterstützung für pflegende Personen. Dazu gehört eine angemessene Entlohnung der Pflegearbeit, verbesserte Sozialleistungen und ein Ausbau von niedrigschwelligen und wirksamen Unterstützungsangeboten. Auch flexible Arbeitszeitmodelle und ein besserer Zugang zu psychologischer Betreuung könnten eine große Entlastung bieten.
Pflegende Personen leisten einen enormen Beitrag zur Gesellschaft, der weit über die reine Pflege hinausgeht. Es ist an der Zeit, dass diese Arbeit mehr Anerkennung und die notwendige Unterstützung erhält, damit sie nicht nur eine Belastung, sondern auch eine erfüllende Aufgabe sein kann!
Wo ist der like-Button?
Aber mal ernsthaft: ja zu allem.
Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Kleinkindern und wohne bei meinen Eltern, die inzwischen beide in Rente sind und bei denen absehbar ist, dass ich die Pflege übernehmen muss. Ich schaue praktisch in meinen eigenen finanziellen Abgrund. Oder ich schicke meine Kinder den ganzen Tag in fremdbetreuung, besorge eine fremdbetreuung für meine Eltern, und arbeite 80h/Woche um die Kosten der Pflege zu bezahlen und selbst trotzdem am existenzminimum zu leben. Ich hab die freie Wahl zwischen Pest und Cholera. Juhu!
Liebe Aline,
vielen Dank für deinen Kommentar und das Teilen deiner Realität. Es braucht wirklich mehr Sichtbarkeit für Pflege im Alltag und was das für Implikationen haben kann. Danke, dass du dazu beiträgst!
Liebe Grüße
dein 3f-Team