Gastbeitrag: Buy Now, Regret Later: Warum Jugendliche so anfällig für Konsumschulden sind

Auf der Suche nach der eigenen Identität ist Jugendlichen der Blick von außen besonders wichtig. Jugendliche sind deshalb als Zielgruppe für Werbe- und Marketingkampagnen äußerst attraktiv. Den Wunsch nach Anerkennung und Bewunderung greift die Werbeindustrie gezielt auf und schafft es so, junge Menschen schon sehr früh zu treuen Konsumentinnen* zu machen. Eine kaufkräftige Gruppe sind junge Menschen jedoch nicht. 25,8 % der unter 25-Jährigen gelten als armutsgefährdet.

Insbesondere benachteiligte Jugendliche zeigen sich anfällig für Werbung und Konsum

Das Verheerende dabei ist, dass insbesondere bildungsferne und finanziell benachteiligte Jugendliche anfällig sind für diesen sogenannten demonstrativen Konsum. Ihnen ist es oft besonders wichtig, durch Äußerlichkeiten zu glänzen und sich gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen. Gleichzeitig zeigen Studien, dass insbesondere bildungsbenachteiligte Jugendliche empfänglich für Werbung sind und diese eher als Entscheidungshilfe sehen und sich der psychologischen Einflussnahme nicht bewusst sind. Geld spielt für sie insgesamt erfahrungsgemäß eine wichtigere Rolle – wer von Armut betroffen ist, denkt häufig, dass Geld alle Probleme lösen würde.

Höhere Marktbeteiligung finanzschwacher Konsumentinnen durch Kleinkredite

Ein Dilemma für unser wachstumsorientiertes Wirtschaftssystem, wenn die treusten Konsumentinnen gleichzeitig die geringste Kaufkraft aufweisen. Doch die Lösung scheint bereits gefunden: Buy now pay later (BNPL). Heute schon kaufen, in dreißig Tagen erst bezahlen. Ein Mittel, welches das Wirtschaftswachstum ankurbelt. Schließlich können sich so auch Menschen Produkte kaufen, die gerade kein Geld dafür haben. Das Problem bei Jugendlichen ist aber, dass sie auch in dreißig Tagen kein Geld dafür haben werden, ihre Rechnungen zu bezahlen. Oft summieren sich kleine Summen zu großen Beträgen, der Überblick geht dabei schnell verloren. Selten wird von den Zahlungsanbieterinnen die Bonität der jungen Kundinnen überprüft. Die Rechnungen aber müssen bezahlt werden. So oder so. Sonst wird es teuer: hohe Zinsen, Mahngebühren und Inkassokosten werden fällig und treiben die ursprünglichen Beträge in die Höhe. Damit rechnen Jugendliche oft nicht. Manche fühlen sich unbesiegbar, viele können die Macht der Finanzdienstleisterinnen und Händlerinnen über sie nicht greifen.

Jugendverschuldung steigt durch Kleinkredite à la Buy now pay later

Während Menschen unter 30 Jahren in Deutschland statistisch zwar weniger Schulden haben als die etwas älteren Bevölkerungsgruppen, sind Konsumschulden bei den 740.000 verschuldeten Deutschen unter Dreißig der häufigste Grund für ihre Zahlungsunfähigkeit. Außerdem steigt die Anzahl verschuldeter junger Menschen an, während sie in anderen Bevölkerungsgruppen eher leicht sinkt. Ein Trend, den Expertinnen mit den BNPL-Diensten in Zusammenhang bringen.

Jugendliche brauchen dringend finanzielle Bildung

Gleichzeitig fehlt es an Aufklärung. Eltern versäumen oft, ihren Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld beizubringen – wie auch, wenn sie es selber nie gelernt haben. Jugendliche nennen in Workshops häufig ihre Eltern als Lösung für (fiktive) finanzielle Probleme. Eine curriculare Verankerung von Finanzkompetenz im Unterricht gibt es nicht. Unsere Arbeit als Caritas wird durch Fördermittel privater Stiftungen finanziert, von Bund, Land oder Kommune gibt es keine Förderung. Wir können so weder feste Strukturen etablieren noch langfristig planen. Dabei ist der Bedarf hoch und wir sind es, die den Jugendlichen die Kreditkonditionen näherbringen und ihnen die fatalen Konsequenzen von unbezahlten Schulden vor Augen führen. Ein Kampf wie David gegen Goliath, weil die Werbeindustrie so stark ist und die rechtlichen Rahmendbedingungen nicht unbedingt im Sinne der (jungen) Verbraucherinnen gesteckt sind. 

Gerade deshalb ist unsere Arbeit in der Schuldenprävention umso wichtiger. Doch wir schaffen das nicht allein. Wir hoffen, dass noch viel mehr Einrichtungen und Institutionen den hohen Bedarf an Finanzbildung für armutsgefährdete junge Menschen erkennen und hierfür Angebote schaffen.

Die Schuldnerberatung im Caritasverband für die Stadt Köln e.V. führt seit 2021 präventive Seminare und Workshops zur finanziellen Bildung für junge Menschen und deren Eltern durch. Wer an den Workshops teilnimmt, setzt sich mit dem eigenen Konsumverhalten auseinander und erhält wichtige Informationen über die Folgen von Schulden sowie rechtliche Rahmenbedingungen zu Verträgen, Krediten und Co. Ziel des Projekts ist die Stärkung von Finanzkompetenz, um Verschuldung bei jungen Menschen zu vermeiden.

* Wegen der besseren Lesbarkeit benutzen wir nur die weibliche Form. Alle Menschen sind explizit mitgemeint.

 
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2 Replies to “Gastbeitrag: Buy Now, Regret Later: Warum Jugendliche so anfällig für Konsumschulden sind”

  1. Gisela+Bergenthal

    Ganz wichtige Gedanken, vielen Dank!
    Und wieder die Frage, wer macht das zu seiner Sache und bringt es den Jugendlichen bei (oder versucht es wenigstens).
    Liebe Grüße,
    Gisela

    • Ruth

      Richtig, auch hier sind wieder die Eltern gefragt. Wo sonst sollen Kinder das lernen? Bitte nehmt eure Verantwortung wahr! Das bewirkt so viel!

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