Rosa Finanzen
Am 09. Februar hat die ZEIT einen Artikel mit dem Titel “Rosa Finanzen: Geldanlage für Frauen” veröffentlicht. Gleich im Untertitel die Frage: “Brauchen sie das?”
Die Autorin des Artikels ist der Meinung, sie (wir Frauen) brauchen das nicht. Ich bin offensichtlich anderer Meinung; deswegen habe ich das Female Finance Forum gegründet. Hier kommt meine Erklärung, warum ich weiterhin davon überzeugt bin, dass auf Frauen spezialisierte Finanzbildung sinnvoll ist. (Unter dem Instagram-Post der Zeit gab es viele spannende Kommentare, u.a. von mir 😉)
Die Meinung der Autorin
Dem Anfang des Artikels stimme ich zu: “Frauen verdienten zuletzt laut Statistischem Bundesamt im Schnitt rund 18 Prozent weniger als Männer, investieren seltener an der Börse und sind die Hauptbetroffenen von Altersarmut. Sie interessieren sich nachweislich weniger für Geld. Ich habe Freundinnen, die mit 35 noch nie eine Steuererklärung gemacht haben. Andere glauben, dass sich die Sorge um die finanzielle Zukunft irgendwann in Luft auflöst, weil sie “mit 50 ’ne Wohnung in Berlin kaufen oder so”. Viele verdrängen das Problem und lassen ihr Erspartes lieber auf dem Girokonto vergammeln, als sich von einem Bankberater auslachen zu lassen, weil sie das mit dem Steuerfreibetrag nicht sofort verstehen.”
…
“Feministinnen und Finanzleute sind sich einig: Der Weg zur Gleichberechtigung führt auch über den Geldbeutel.“
Soweit, so gut. Bis hierhin sind die Autorin und ich einer Meinung.
Das Fazit ist allerdings vernichtend:
Es ist zum Totlachen: Am Ende ist das feministische Weltverbesserungsevent nichts weiter als eine Kaffeefahrt.
“Dabei ist die Geldanlage tatsächlich ja gar nicht so kompliziert. Wenn man mit Experten spricht, etwa bei der Verbraucherzentrale, laufen seriöse Anlagetipps eigentlich immer auf das Gleiche raus: Risiken minimieren durch breite Streuung, etwa durch Indexfonds. Dazu einen langen Anlagehorizont wählen und Finger weg von der Krypto-Zockerei, es sei denn, man hat ein bisschen Spielgeld. Das gilt für Frauen wie für Männer. Es gibt zahlreiche seriöse Websites, Podcasts und Artikel, die das anschaulich erklären, sowie Angebote von Direktbanken und Trading-Apps, die eine risikoarme Anlage ohne hohe Kosten ermöglichen. Dafür braucht man weder eine bonbonfarbene Powergirl-Kultur noch überteuerte Online-Coachings. Man kann das gut mit Diäten vergleichen: Jeder weiß, dass man vor allem Gemüse essen soll, wenig Zucker und aufhören, wenn man satt ist. Aber weil sich mit so etwas Langweiligem kein Geld verdienen lässt, erscheinen täglich neue Superfood-Bücher, Wunderdiät-Apps und Fitnessmagazine. Es ist wie damals, zu Zeiten des Goldrauschs. Auch da haben manchmal die mehr verdient, die das Werkzeug verkauft haben.”
Meine Meinung
Finanzbildung (ohne Verkauf von Finanzprodukten!) fehlt in Deutschland flächendecken, nicht nur den Frauen. (Tatsächlich haben Frauen mehr Finanzwissen, aber weniger Finanz-Selbstbewusstsein. Scheint sich durchzuziehen, diese Problematik.) Abgesehen davon, dass wir mehr Bildungsangebote für Finanzen und eine Abschaffung des Provisionsvertriebs brauchen, sind meiner Meinung nach aber auch gezielte Angebote für Frauen sinnvoll.
Warum?
Neben den oben genannten Gründen (niedrigeres Gehalt, niedrigere Rente, drohende finanzielle Abhängigkeit und Altersarmut) gibt es einen ganz wichtigen Grund, der häufig unterschätzt wird:
Der Finanzsektor ist nicht neutral! Er spricht nicht uns alle an, und wir Frauen sind nur zu blöd/bequem/naiv. Der Finanzsektor ist männlich: Von Männern konzipiert, für Männer gestaltet.
- Wenn wir das Gefühl haben, die “Finanzmänner” nicht zu verstehen, liegt das nicht an uns. Sie sprechen eine männliche Sprache.
- Wenn wir das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden, trifft das wahrscheinlich zu. Die Finanzmänner nehmen uns häufig nicht ernst. (Schau dir gerne dieses Video an.)
- Wenn wir das Gefühl haben, schlechte “Deals” zu bekommen, stimmt das: Wir bekommen im Schnitt Finanzprodukte mit schlechterer Rendite und höheren Kosten empfohlen!
Die Finanzangebote für Frauen müssen also Jahrhunderte männlicher Finanzdominanz kompensieren. Wenn wir eine ausgewogene Geschlechterverteilung unter Börsen-, Immobilien- und Kryptoinvestorinnen sehen, von der Lohn-, Care- und Rentenlücke ganz zu schweigen, können wir gerne die Bildungsangebote für alle öffnen. Abgesehen davon, dass es unzählige Angebote gibt, die sich an alle Menschen richten. Männer sind dort herzlich willkommen.
Schöner Beitrag!
À apropos Bildungsangebot.
Und vielleicht sogar speziell für Frauen:
Ich denke an ein Angebot zur Selbstfürsorge – einen Bildungsurlaub!
Wie wäre es mal damit?:
Selbstfürsorge für Frauen: Finanzen und Seele und Körper…
Entweder 1 Woche am Wohnort. Oder aber an einem netten Ort irgendwo anders, der das Angebot zur “Selbstfürsorge” noch “befördert”…
Was ist der Zweck dieses ZEIT Artikels? Die Frauen zu entmutigen, die sich entschlossen haben, die endlich bestehenden Angebote (wie zum Beispiel das Female Finance Forum) annehmen? Falls diese wider Erwarten nicht die Bedürfnisse der Frauen treffen, können sie das ja selbst entscheiden. Dazu braucht es keinen oberlehrerinhaften Artikel. Finanzbildung braucht es. Für alle. Besonders aber für Frauen. Die Zahlen sprechen für sich.
Interessant: Als ich den zitierten Auschnitt aus der Zeit las, merkte ich sofort, dass ich keine Lust hatte, weiterzulesen, dass mein Kopf gleich auf “schwer zu verstehen ” schaltete, dass ich damit nichts zu tun haben wollte, und dann las ich kurz darauf deine Einschätzung: “Der Finanzsektor ist männlich,von Männern konzipiert, für Männer gestaltet.” Das trifft es! Ich würde ergänzen: In einer Sprache, die mir nicht entspricht, die mich nicht anspricht. Offensichtlich ist die Autorin schon so in dieser Männer-Finanzwelt verhaftet, dass sie diese Sprache übernommen hat. Da lobe ich mir die Texte von dir, Claudia, die für mich so eingängig und mühelos zu lesen sind. Danke für deine informativen und interessanten Beiträge!