Zurück in die Zukunft?

Der Tag beginnt für Anna mit dem sanften Surren ihres digitalen Assistenten, der die Rollläden automatisch hochfährt. Verschlafen schlüpft sie in ihre Hausschuhe, schaltet den Wasserkocher ein und scrollt durch die Nachrichten. Die Überschriften lauten: „Erneuter Erfolg für das Wirtschaftsprogramm“, „Gemeinschaftsfeste stärken den sozialen Zusammenhalt“. Alles scheint ganz normal, doch Anna kann das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas vor sich geht. 

Auf dem Weg zur Arbeit bemerkt sie, wie still die Straßen geworden sind. Die Cafés, an denen sie vorbeigeht, wirken leer, die Gespräche der wenigen Gäste gedämpft. Warum erscheint ihr das plötzlich so ungewohnt? An die vielen Kameras an jeder Straßenecke hat sie sich längst gewöhnt. „Maßnahme zum Schutz des öffentlichen Raumes“, murmelt Anna und streicht sich unbewusst über den Bauch, als wollte sie ihrem Kind signalisieren, dass alles gut wird. „Werde ich das schaffen?“, fragt sie sich, und diese Frage fühlt sich schwerer an als je zuvor. 

Neue Routinen im Klassenzimmer 

Im Lehrerzimmer herrscht konzentrierte Stille. Anna öffnet ihren Tagesplan. Die Themen scheinen auf den ersten Blick harmlos: „Nationale Meilensteine“ in Geschichte, „Klassiker der Literatur“ in Deutsch. Doch als sie den Stoff durchgeht, ist er wieder da, der Kloß im Hals. Sie erinnert sich daran, dass vor ein paar Jahren noch ganz andere Themen und Texte behandelt wurden. Oder täuscht sie sich? Mit Politik hatte Anna nie viel am Hut, zu realitätsfern und anstrengend. Viele versprechen viel, und am Ende waren es doch immer die „Anderen“. 

Im Unterricht fällt ihr Blick auf den leeren Platz von Murat. Seine Abwesenheit fühlt sich wie ein Stachel an, doch niemand im Klassenzimmer thematisiert den leeren Platz. Anna denkt kurz an die Familie des Jungen, die kürzlich „verlegt“ wurde. Wohin? Sie schluckt schwer. Wieder streichelt sie sich flüchtig über den Bauch, als ob sie damit ihren Gedanken Halt geben könnte. „Wie sicher ist man hier überhaupt, wenn man nicht reinpasst?“, denkt sie sich und fühlt, wie ihr Magen sich zusammenzieht. Vielleicht hätte sie den Bluttest, den ihre Frauenärztin ihr mit Nachdruck ans Herz gelegt hat, doch machen sollen. 

Nach der Stunde bemerkt sie, wie ein Kollege mit zwei uniformierten Männern spricht. Seine Haltung wirkt angespannt, die Worte, die fallen, sind gedämpft. Anna senkt den Blick und geht weiter. Solche Szenen hat sie schon oft gesehen. „Hoffentlich löst sich alles in Wohlgefallen auf“, denkt sie, doch viele ihrer alten KollegInnen wurden die letzten Jahre ausgetauscht. 

Ein leiser Abend 

Der Supermarkt, den Anna nach der Arbeit besucht, wirkt funktional und ordentlich. Die Regale sind gefüllt, aber die Auswahl ist eintönig. Anna erinnert sich vage an eine Zeit, in der die Vielfalt der quietschbunten Produkte sie überwältigt hat. Wann genau hat sich das geändert? Sie kann sich nicht erinnern. Jetzt ist das nur noch ein unscharfes Bruchstück, wie etwas, das man erst richtig wahrnimmt, wenn es weg ist. 

Zu Hause öffnet sie ihr Handy: Nachrichten über neue Unwetterkatastrophen. Klimawandel ist kein Thema mehr, alles wird als Einzelfall bezeichnet. Ihr Handy vibriert, eine Nachricht von ihrer Freundin Lenia. Lenia spielt mit dem Feuer: Es geht um eine Petition zur Stärkung der Rechte Homosexueller, mutig, aber riskant. Anna tippt eine Antwort, zögert dann jedoch vor dem Absenden. Dass Handys überwacht werden, ist längst bekannt. Sie legt das Handy weg und setzt sich an den Tisch. Ihre Hände ruhen auf ihrem Bauch, sanft spürt sie die Bewegungen ihres Ungeborenen, während ihre Gedanken schwerer werden. 

Was für eine Welt wäre das für ein Kind, das anders ist? Anders aussieht, anders denkt? All die strikten Regelungen, die immer krasseren, allgegenwärtigen Hürden für jeden, der nicht ins Bild passt, gehen ihr durch den Kopf. „Was, wenn ich allein bin?“, flüstert sie. Diese Worte klingen laut in der stillen Wohnung, und ihr Blick wandert zu den Spielsachen, die sie schon gekauft hat. „Oder wenn mit meinem Kind etwas nicht stimmt?“ 

Alles nur geträumt?

Anna schreckt hoch, das vertraute Surren ihres digitalen Assistenten ist zu hören. Sie greift nach ihrem Handy: „Bundestagswahlen: Heute entscheidet Deutschland.“ Wir schreiben das Jahr 2025. Die Bilder ihres Traums verblassen bald nach dem Aufstehen, doch die Beklommenheit bleibt. 

Anna setzt sich an den Tisch und atmet tief durch. Sie legt beide Hände schützend auf ihren Bauch und sagt zu sich selbst: „Noch ist Zeit, das alles zu verhindern.“ Sie greift nach ihrer Jacke und macht sich auf den Weg – entschlossen, ihre Stimme abzugeben. 

Deine Stimme zählt!

Die Wahl am 23. Februar 2025 ist entscheidend. Nutze deine Stimme und setze ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Ganz flexibel bleibst du, wenn du Briefwahl beantragst. Spätester Zeitpunkt für die Beantragung ist Freitag, der 21. Februar, 15 Uhr. 

 

 
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4 Replies to “Zurück in die Zukunft?”

  1. Gisela+Bergenthal

    Es ist zum Verzweifeln, aber verzweifeln nutzt gar nichts. Packen wir es an, gehen wir zu Wahlveranstaltungen, reden wir mit “unseren Leuten”, aber auch mit den anderen und behalten wir uns unsere Zuversicht, dass noch was geht.
    Liebe Grüße!

    • Claudia, Female Finance Forum

      So ist es! Viel reden, laut sein, aber auch zuhören und mitfühlen. Und vor allem: Nicht verzweifeln!
      Liebe Grüße zurück!

  2. Ute Müller

    Ja, weitermachen, weiter streiten!
    Ich vertraue darauf, dass letztlich Rechts in Schach gehalten wird, ich vertraue trotz allem auf die Vernunft! Hoffentlich behalte ich Recht…
    Alles Gute, macht Ihr auch weiter!
    Ute

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