“Sell in May and go Away” – Was ist dran an der Börsenweisheit?

Die Börse hat ihre eigenen Gesetze, und viele Anlegerinnen* schwören auf altbewährte Weisheiten. Eine der bekanntesten lautet: “Sell in May and go away, but remember to come back in September.” Aber was steckt wirklich hinter diesem Ratschlag? Solltest du ihn beherzigen?

Die Idee hinter der Weisheit

Der Grundgedanke dieser Börsenregel ist einfach: Verkaufe deine Aktien im Mai und steige erst im September wieder ein. Die Theorie besagt, dass die Aktienmärkte in den Sommermonaten tendenziell schlechtere Renditen erzielen als in der restlichen Zeit des Jahres.

Historisch betrachtet gab es tatsächlich Zeiten, in denen diese Regel zutraf. Einige bekannte Börseneinbrüche, wie der Schwarze Montag 1987 oder die Finanzkrise 2008, ereigneten sich zwischen Mai und Oktober, was der Weisheit zusätzliche Glaubwürdigkeit verlieh.

Was sagen die Zahlen?

Wenn du dir die langfristigen Daten ansiehst, ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild:

  • Für den MSCI World Index zeigen Daten von 1970 bis 2022, dass der Mai im Durchschnitt eine positive Rendite von 0,78 % brachte – sogar etwas mehr als der Gesamtdurchschnitt aller Monate (0,73 %).
  • Auch die Sommermonate Juli und August wiesen im Schnitt positive Renditen auf.
  • Eine Analyse des S&P 500 seit 1973 ergab, dass Anlegerinnen, die durchgehend investiert blieben, im Schnitt eine höhere jährliche Rendite (10,1 %) erzielten als jene, die im Mai verkauften (9,4 %).

Regionale Unterschiede

Interessanterweise scheint die Weisheit in einigen Märkten stärker zuzutreffen als in anderen:

  • Am Schweizer Aktienmarkt war die durchschnittliche Rendite im Winterhalbjahr (November bis April) mit 7,5 % deutlich höher als im Sommerhalbjahr (0,9 %).
  • Ähnliche Tendenzen zeigten sich auch am US-Markt, wenn auch weniger ausgeprägt.

Ist die Weisheit noch zeitgemäß?

In der heutigen globalisierten Finanzwelt stellt sich die Frage, ob saisonale Muster noch die gleiche Relevanz haben wie früher. Einige Faktoren sprechen dagegen:

  1. Globalisierung: Die Märkte sind heute stärker vernetzt, was lokale saisonale Effekte abschwächen kann.
  2. Digitalisierung: Der Handel läuft rund um die Uhr, unabhängig von Urlaubszeiten.
  3. Professionalisierung: Institutionelle Anlegerinnen dominieren den Markt und handeln weniger nach Kalender als nach Daten und Analysen.

Fazit für dich

Für die meisten Privatanlegerinnen ist es ratsam, die “Sell in May”-Strategie mit Vorsicht zu betrachten:

  1. Langfristiger Ansatz: Eine diversifizierte, langfristige Anlagestrategie hat sich historisch als erfolgreicher erwiesen als kurzfristige Timing-Versuche.
  2. Transaktionskosten: Häufiges Kaufen und Verkaufen kann durch Gebühren deine Rendite schmälern.
  3. Verpasste Chancen: Wer im Sommer nicht investiert ist, könnte wichtige Kursgewinne verpassen.
  4. Individuelle Situation: Deine persönliche Anlagestrategie sollte sich an deinen Zielen und deiner Risikotoleranz orientieren und nicht an Kalenderweisheiten.

Letztendlich zeigt die Analyse, dass die Börsenweisheit “Sell in May and go away” zwar interessante historische Muster aufzeigt, aber als alleinige Anlagestrategie für moderne Investorinnen zu kurz greift. Ein ausgewogenes, langfristiges Investment-Portfolio, das auf deine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist, bleibt der empfohlene Weg für dich. 😉

* Wegen der besseren Lesbarkeit benutzen wir nur die weibliche Form. Alle Menschen sind explizit mitgemeint.

 
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