Rassismus und Armutsbetroffenheit: Wie soziale Ungleichheit entsteht

Von Armut betroffen – was bedeutet das eigentlich? Als armutsgefährdet gilt man in Deutschland, wenn man in einem Haushalt lebt, der weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Das mittlere Jahreseinkommen in Deutschland liegt 2024 bei 45.358 € brutto; wer weniger als rund 27.000 € brutto bekommt, gilt demnach als armutsgefährdet. Klingt ganz so, als ginge es rein um die Geldmenge, die zur Verfügung steht. Doch wer oder was entscheidet eigentlich darüber, welche Geldmenge in unseren Geldbörsen landen kann? Armut ist allzu oft das Resultat von Diskriminierung, vor allem von Rassismus.  

Ungleiche Bildungschancen 

Das Armutsrisiko muslimischer Männer beträgt 33 Prozent, bei asiatischen Männern 27 Prozent und bei schwarzen Männern 20 Prozent. Zum Vergleich: für eine “biodeutsch” gelesene Person beträgt das Armutsrisiko gerade einmal 9 Prozent1. Doch wie kann das sein?

Rassismus kann sich auf vielfältige Weise äußern, z. B. in Form von institutioneller Diskriminierung, Vorurteilen und Stereotypen. Marginalisierte Gruppen erhalten weniger oder erschwerten Zugang zu Ressourcen, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten, was zu wirtschaftlicher Ungleichheit bis hin zu Armutsbetroffenheit führen kann. 

Bildung ist einer der entscheidend en Faktoren für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Mobilität. Doch in vielen Ländern sind rassistische Vorurteile in Bildungssystemen tief verwurzelt. Kinder mit Migrationshintergrund haben oft weniger Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung, sei es aufgrund unzureichender Schulressourcen in benachteiligten Gegenden oder wegen (unbeabsichtigter) diskriminierender Praktiken und Vorurteilen innerhalb von KiTa oder Schule. Diese Bildungsungleichheit führt zu schlechteren Zukunftschancen und erhöht somit das Risiko, in Armut aufzuwachsen und zu leben. 

Arbeitsmarkt und Beschäftigung 

Rassismus spielt auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt eine Rolle. Diskriminierung bei der Einstellung, Beförderung und Entlohnung sind keine Seltenheit. Studien zeigen, dass Bewerberinnen* mit ausländisch klingenden Namen oder dunkler Hautfarbe oft weniger Chancen haben, eingestellt zu werden, selbst wenn sie über die gleichen Qualifikationen verfügen wie ihre als weiß gelesenen Mitbewerberinnen1. Diese Ungleichheit führt dazu, dass diskriminierte Menschen in schlecht bezahlten und unsicheren Jobs arbeiten müssen, was ihre wirtschaftliche Lage natürlich weiter verschlechtert. 

Soziale Segregation 

Armut führt häufig zu sozialer Segregation, da von Armut betroffene Menschen öfters in infrastrukturell benachteiligten Vierteln leben, die oft isoliert von wohlhabenderen Gebieten sind. Diese Segregation erschwert den Zugang zu hochwertigen Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten und verstärkt die bestehenden Ungleichheiten. Gleichzeitig führt der Mangel an Kontakt zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen oft zu Misstrauen und Vorurteilen, was rassistische Einstellungen weiter verstärkt. Dies zeigt auch der Zusammenhang zwischen Ausländeranteil und AfD-Wahlergebnis: Wo die AfD stark ist, leben wenig bis kaum Ausländer, wo es viele Ausländer gibt, ist sie viel schwächer.2 

Politische Auswirkungen 

Armut und Rassismus haben auch politische Auswirkungen, da marginalisierte Gruppen oft weniger politischen Einfluss haben und ihre Bedürfnisse ignoriert oder missachtet werden. In den USA ist es zum Beispiel in manchen republikanisch regierten Staaten üblich, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit man überhaupt wählen darf. Diese Voraussetzungen (keine Vorstrafen, das Vorliegen bestimmter Dokumente) schließen bestimmte Minderheiten von der politischen Teilhabe aus. Diese Benachteiligung kann zu einem Gefühl der Entfremdung und Frustration führen, was wiederum zu Protesten und sozialen Unruhen führen kann. Die daraus resultierende Polarisierung erschwert den gesellschaftlichen Dialog und die Suche nach Lösungen für diese komplexen Probleme. 

Was tun? 

Um den Teufelskreis von Rassismus und Armut zu durchbrechen, sind umfassende gesellschaftliche Veränderungen erforderlich. Ein besseres Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen diesen Phänomenen ist der erste Schritt, um nachhaltige Lösungen zu finden.  

Als konkrete Maßnahmen braucht es: 

  1. Investitionen in Bildungssysteme: alle Kinder müssen unabhängig von ihrer Herkunft Zugang zu hochwertiger Bildung haben. Nur so erhalten sie eine echte Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
  2. Der Arbeitsmarkt muss gerechter werden: Es braucht Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz und zur Förderung von Vielfalt und Inklusion. 
  3. Förderung politischer Teilhabe: die Stimmen ALLER Menschen müssen gehört und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. 
  4. Soziale Integration und Abbau von Vorurteilen: Wer miteinander redet, kann sich verstehen. Der interkulturelle Dialog muss erleichtert und forciert werden, um das gegenseitige Verständnis zu fördern. 

Durch gemeinsame Anstrengungen der Politik und uns einzelnen Menschen können wir eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft schaffen, in der alle Menschen die gleichen Chancen haben, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem wirtschaftlichen Hintergrund. 

 

1 https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-05/armut-rassismus-wirtschaftspolitik-marcel-fratzscher

* Wegen der besseren Lesbarkeit benutzen wir nur die weibliche Form. Alle Menschen sind explizit mitgemeint.

2 https://www.sueddeutsche.de/politik/bewerbung-diskriminierung-auslaender-1.5711270

 
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